Inklusiver
Wald­spaziergang
im Naturpark Gantrisch

Der Naturpark Gantrisch verstärkt gemeinsam mit dem Schlossgarten Riggisberg sein Engagement für Inklusion: Ein reiches Angebot im Parkgebiet soll allen Menschen offen stehen.

Nun haben die beiden Organisationen gemeinsam mit der Stiftung Bernaville auf einem Waldspaziergang bei Rüschegg die eigene Inklusionsfähigkeit einem Test unterzogen: Wie gut funktioniert eine bestehende Exkursion für Menschen mit Beeinträchtigungen?

Die Exkursion im Detail

Illustration Wegweiser

Die Exkursion

Von Rüschegg Aeugstenhalten entlang dem Schwarzwasser zur Waldhütte Schlatt. 2,5 Stunden mit Pausen, hauptsächlich Waldwege, ca. 100 Meter Höhenunterschied

Illustration Baum

Was macht eine
inklusive Exkursion aus?

Illustration Baum
Illustration Baum

Gruppe

Bewohner Schlossgarten Riggisberg, Bernaville Schwarzenburg, Begleitpersonen, sowie Personen ohne Einschränkungen. Gruppengrösse: 25 Personen.

Illustration Veranstalterin

Veran­stalterin

Naturpark Gantrisch / Schlossgarten Riggisberg. Leitung: Claudia Vonlanthen, Seline Infanger.

Illustration

Wissens­vermittlung

  • Spiel: Geräusche zählen
  • Fuchsbau: Felle von Dachs und Fuchs vergleichen, Schädelknochen anschauen
  • Experiment: Mit Mikrofon Boden abhören
  • Schatzsuche: Mit Karte vergrabenes Textil finden
  • Lernen: Zersetzung von Textil durch Insekten im Boden
Illustration Strauch

So klingt
Waldboden

Quelle: Sounding Soil Schweiz

Herausforderungen
für die Gruppe

  • Wurzeln und Aufstiege für manche Teilnehmer anspruchsvoll
  • Positiv: Gelegenheit einander zu helfen
  • Für Teilnehmende ohne Einschränkung: Wann helfen? Wieviel helfen? Begleitpersonen geben Sicherheit
  • Manche Teilnehmende fühlen sich wohler auf Teerstrassen
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Herausforderungen
für die Leitenden

  • Flexibel auf Bedürfnisse reagieren können
  • Routenalternativen vorbereiten
  • Props für Experimente vorbereiten
  • Rhythmus zwischen Gehzeit, Stopps und Wissensinputs je nach Bedürfnis flexibel gestalten
Illustration Baum

Ein bereichernder Tag

Illustration Strauch

Ein Ohr voll Wald

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Infra­struktur

  • Gut erreichbarer Startpunkt
  • Teerstrasse in Reichweite für Abkürzung zum Endpunkt
  • Gut ausgerüsteter Endpunkt mit Grillstelle, Tischen, Bänken und WC
  • Telefonempfang im Fall der Fälle gewährleistet
  • Start- und Schlossposten für Vorbereitung gut mit Auto erreichbar
Illustration Baum

Ein Spaziergang
für alle

Illustration

Erlebnis

  • Rege Interaktion in der Gruppe
  • Soziales genauso wichtig wie die Fachinhalte
  • Abschluss mit Waldapéro bot Möglichkeit zum Austausch und um das Erreichte Revue passieren zu lassen

Was heisst eigentlich Inklusion?

Inklusion heisst, dass Menschen mit Beeinträchtigungen ihr Leben und ihre Ziele nicht mehr an vorhandene Gegebenheiten anpassen müssen, sondern dass wir Voraussetzungen schaffen, die es jedem Menschen erlauben, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Hier finden Sie weiterführende Informationen zum Thema Inklusion.

Fazit

Die Exkursion hat auch für eine Gruppe von Menschen mit Beeinträchtigungen sehr gut funktioniert. Alle haben die rund zweistündige Route durch den Wald gemeistert und mit Freude mitgemacht. Die Stimmung zum Ende des Ausflugs: müde, aber zufrieden. Die Teilnehmenden ohne Beeinträchtigungen haben den Anlass ebenso genossen und viel gelernt. Alle waren sich einig: Gerne wieder.

Die Erkenntnisse aus diesem Pilotprojekt dienen als Basis für weitere, inklusive Angebote im Parkgebiet und können auch für andere Veranstalter hilfreich sein. Ab Ende 2022 veröffentlichen wir auf dieser Webseite eine Checkliste, die zur Vorbereitung und Planung inklusiver Exkursionen verwendet werden kann.

  • WIE INKLUSIV DENKT DIE ORGANISATION?

    Die Voraussetzungen für ein Gelingen waren gut: Das Team des Naturparks Gantrisch war bereits für das Thema sensibilisiert und hatte mit anderen inklusiven Projekten erste Erfahrungen gesammelt, zum Beispiel mit dem Gantrischkurier (Beitrag dazu auf unbeschränkt.ch). Man verfügte also bereits über Vorwissen, das für die Konzeption der Exkursion hilfreich war. Der Naturpark Gantrisch positioniert sich als Modellregion für Nachhaltigkeit, Inklusion spielt auch strategisch eine wichtige Rolle und geniesst die volle Unterstützung der Geschäftsleitung. In der Vorbereitung der Exkursion zahlte sich zudem die Zusammenarbeit mit dem Team des Schlossgartens Riggisberg aus, so konnten Bedürfnisse der Teilnehmenden bereits frühzeitig in die Planung einbezogen werden. Die Co-Organisation zwischen Parkgebiet und einer in Inklusionsthemen erfahrenen Institution wie der Schlossgarten Riggisberg war einer der Erfolgsfaktoren für das Gelingen des inklusiven Waldspaziergangs.

  • FLEXIBEL BLEIBEN

    Der Praxistest hat gezeigt, dass der Erfolg einer inklusiven Exkursion noch mehr als bei einer «herkömmlichen» Exkursion mit der Kompetenz und Empathie der Leitungsperson steht und fällt. Sie muss flexibel reagieren, abkürzen oder noch einmal erklären können und sich damit wohlfühlen, wenn das Programm anders läuft als geplant. Unsere Exkursion hat gezeigt: Es ist nicht schlimm, wenn man weniger Programmpunkte erledigt, als geplant. Das Erlebnis steht im Vordergrund, das verdeutlicht die Rückmeldung einer der Teilnehmenden: «Es war schön, die Natur zu spüren».

    Zentrale Fragen für Organisationen und Teams, die inklusive Anlässe durchführen möchten, sind unter anderem folgende:

    • Wer führt den Anlass?
    • Wie gehen wir mit Unvorhergesehenem um?
    • Mit welcher Gruppengrösse sind wir noch flexibel genug, um abzukürzen oder abzuändern?
    • Wie viele Betreuungspersonen sind sinnvoll?
  • MENSCHEN MIT EINSCHRÄNKUNGEN NICHT UNTERSCHÄTZEN

    Die vielleicht wichtigste Erkenntnis aus dem Praxistest ist diese: So anders ist es gar nicht. Es lohnt sich, den Mut aufzubringen, sich mit einer vermeintlich herausfordernden Gruppe auf den Weg zu begeben. Man darf herausfordern, Fragen stellen, auch etwas steilere Wege gehen und sich getrauen, Wissen zu vermitteln. Es geht besser, als man denkt.

  • DAS WUNDERBARE FINDET SICH IM KLEINEN

    Wir haben nach der Exkursion viele Fragen gestellt, die die Teilnehmenden teilweise selbst, teilweise mit Unterstützung der Betreuungspersonen beantwortet haben. Für unseren nächsten Anlass im kommenden Frühling haben wir neben einer neuen Partnerschaft mit den Reporteri:innen ohne Barrieren auch bereits einen Programmwunsch eines Teilnehmers des Waldspaziergangs: «Ich möchte einmal über eine Brücke gehen.»

«Es war schön,
die Natur zu spüren.»

«Ich habe gelernt, dass sich Blätter im Boden zersetzen,
und dass man im Boden Geräusche hört.»

«Es hätte noch länger
dauern können.»

«Ich möchte einmal
über eine Brücke gehen.»

«Es war schön,
dass auch ein Kind dabei war.»

«Das Apéro war fein.»

Und jetzt?

Learnings und Wissenstransfer

Dass die beiden Organisationen Naturpark Gantrisch und Schlossgarten Riggisberg die Partnerschaft fortführen und künftig inklusive Exkursionen fix in die Programmplanung im Parkgebiet aufhmen, war bereits kurz nach dem erfolgreichen Praxistest klar. Ab 2023 werden pro Jahr zwei solcher Anlässe durchgeführt und mit dem Label #unbeschränkt gekennzeichnet.

Neben der konkreten Planung für das Parkgebiet erlaubte der Praxistest den Veranstaltern ihr Verständnis von Inklusion zu erweitern und vertiefen. Der gegenseitige Wissensaustausch und die organisationale Weiterentwicklung ist sowohl für den Naturpark Gantrisch als auch für den Schlossgarten ein weiteres wichtiges Projektziel.

Vögelhaus Baum

Eine inklusive Exkursion ist …

Schnecke

Langsam

Aber Langsam heisst nicht langweilig. Menschen mit und ohne Einschränkungen profitieren von einem gemächlicheren Tempo: Geräusche, Gerüche und Eindrücke können so bewusster wahrgenommen werden und es entsteht Raum für die eigenen Erfahrungen.

Die Exkursionsleitenden brauchen etwas Mut, um Pausen oder Lücken zuzulassen. Übrigens: Kinder sind Profis darin, sich auf Spiele wie «Geräusche zählen» einzulassen und freuen sich über Pausen und Freiräume, um selbst zum Entdecker / zur Entdeckerin zu werden. Inklusive Spaziergänge sind deshalb besonders auch für Familien geeignet. Tiere schaffen Nähe und helfen, Barrieren abzubauen. Inklusive Anlässe sind hunde- und begleittierfreundlich.

Stoecke

Kurz oder Lang

Natürlich darf ein Spaziergang mit älteren Teilnehmenden oder Teilnehmenden, die in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, nicht zu weit sein oder zu lange dauern. Mit einer guten Vorbereitung und einer ausgeklügelten Routenwahl ist dennoch ein halbtägiger Ausflug ohne Weiteres möglich.

Toll, wenn beim Zielpunkt die Teilnehmenden das Gefühl eines Erfolgserlebnisses haben und stolz sind, eine für sie nicht alltägliche Herausforderung gemeistert zu haben. Inklusion heisst auch: den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren.

Wurst

Genussorientiert

Die Wissensvermittlung steht nicht im Vordergrund, sondern das Erlebnis. Aufregende Aktivitäten sind nicht nötig, eher geht es darum, Neues im Kleinen gemeinsam zu entdecken.

Es lohnt sich, Posten für Inputs und allfällige Experimente so über die Route zu verteilen, dass sie nach Bedarf weggelassen werden können und die Teilnehmenden möglichst viel selbst erfahren, ausprobieren und mit allen Sinnen erleben zu lassen. Zum Genuss und als Abrundung gehört selbstverständlich die Verpflegung dazu. Das gemütliche Beisammensein ist ein wichtiger Teil inklusiver Anlässe und schafft Möglichkeiten für den Austausch.